Klistier

Kerstin Hensel
Klistier
Schauspiel in 22 Szenen
2 D, 6 H, Verw - Dek
In der Chirurgie des Klinikums Broadwitz operiert man irgendwo zwischen Broadway und Wahnwitz. Klinikchef Prof. Becherling, ein schneidiger Chirurg mit faustischem Pioniergeist, forscht seit 102 Jahren nach einer Antwort auf die Frage, was „diese halswirbelkranke Welt zusammenhält.“ Doch weil seit eben dieser Zeit die Patienten fehlen, schmort sein Team aus chronisch unbefriedigten Oberschwestern, glitschigen Assistenzärzten, mephistophelischen Anästhesisten und halbstarken Pflegern im Saft der eigenen Bedeutungslosigkeit. Man will den Aufbruch, fürchtet aber das Neue und zelebriert so den Stillstand in ewigen Rückkopplungsschleifen von Machtspielchen und sexuellen Phantasien.

Bis endlich der erste Patient auftaucht. Bei einem Betriebsausflug stößt das lustwandelnde Krankenhauspersonal auf den übel riechenden Kriegsveteranen Ingwer, dem Inbegriff eines Soldaten, der vom Teutoburger Wald bis zum Zweiten Weltkrieg alle Schlachten durchfochten hat. Sogleich diagnostiziert Prof. Becherling unbesehen eine traumatische Frakturneurose und beordert den Unglücklichen auf den OP-Tisch, wo man ihm mit monströsen Spritzen einen gehörigen Einlauf verpassen soll. Doch will Ingwer partout nicht als Versuchsobjekt einer wild gewordenen Wissenschaft dienen. So versucht er – unterstützt von der zartfühlenden Auszubildenden Dolora – den Ausbruch.

Sublim und verkommen zugleich – Kerstin Hensels pointensattes Affentheater „Klistier“ berichtet von einer paralysierten Gesellschaft, die sich Läuterung nur noch mit Afterspritzen und Darmreinigungen verschafft. Der Stasi, die das Stück über Jahre unter Verschluss hielt, ist zu danken: „Klistier“ ist heute noch so aktuell wie zur Zeit seiner Niederschrift.


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