Die Tragödie des Dr. Faustus

David Mamet
Die Tragödie des Dr. Faustus
(The Tragedy of Dr. Faustus)
Stück in 2 Akten
Deutsch von Bernd Samland
1 D, 3 H, 1 Junge, Verw - Dek
Dass mein Computer sich nicht übereile: Das "des" statt des "von" im Titel: Stoff für heiße Magister-, gar Doktorarbeiten? Das Stück spielt irgendwann irgendwo zwischen dem Erscheinen der ersten Zeitung – "Untergang der Welt durch schwarze Magie" – und der Erfindung des Telefons, sprachlich wie motivisch "spielt" es zwischen Marlowe und heute.

Im Anfang war die Zahl, heißt es bei Mamet, und die Zahl war... Hier stock ich schon. War's die Null, war's die Eins? Ist die Zahl krumm? Die Welt ein binäres Universum? Darauf glaubt Dr. Faustus, Künstler und Erkenntnissucher, eine Antwort gefunden zu haben: Alles Vergängliche ist eine Gleichung. Klingt eher trostlos. Doch: Wir müssen uns Faustus als einen glücklichen Menschen vorstellen. "What do I care there is no here nor there", sagt Dr. Faustus bei Gertrude Stein, "Dummheit ist nicht meine Stärke" bei Valéry. So rein wie schier und fein, und eine Seele hat er weder bei Mamet hier noch dort bei Stein. Eben ein glücklicher Mensch. Mit Freund, Wein, Weib und Sohn. Der Junge hat Geburtstag, ein Fest steht ins Haus, Faustus hat soeben sein Opus Magnum vollendet, auf das die Öffentlichkeit – die Presse – schon lange wartet.

"Name ist Schall und Rauch", mag sich Mamet gedacht haben, beließ Weib und das Aufmerksamkeit heischende Kind anonym und gab nur noch dem Freund einen Namen: Fabian bringt immer wieder freitags die Gazette, das Journal, ins Haus. Nur an diesem Freitag gibt er das Blatt nicht her – böse Kritiken etwa? Dafür hat der Freund einen Illusionisten engagiert, einen Animateur, den Magus, der beim Kindergeburtstag für Unterhaltung und Ablenkung sorgen soll. Und der Sohn hat dem Vater ein Gedicht geschrieben, das die Mutter ihrem Manne überbringt. Das Kindergedicht findet sich im Manuskript des Dichters und Denkers, der Magus zweifelt an den Originalitätsbeteuerungen des Dr. Faustus und zaubert mit bloßem Faltenwurf einen Karneval in Venedig zwischen Tür und Angel des Anwesens. Die Vernunft steht Kopf: Wirkung ohne Ursache? Ja gibt's denn das. Klar doch, im Illusionsgewerbe des Magus und des Dr. Faustus. In Hollywood und am Broadway. "There's no business like show business." Wer geht wem auf den Leim? Wer führt wen aufs Glatteis? Das alte Spiel, es ist ja nur das alte Spiel.

Wer ist Herr der Spiele in diesem "Haus der Spiele", das ja auch das Theater ist? Denn der Zauber findet auf der Bühne statt. Was ist Original, was Fälschung, Täuschung? Wer schmückt sich mit fremden Federn? Ein Ringen um Worte und ihre Folgen. "Denn Sprechen bringt Gefahr." Vertrackt , aber nie absichtlich verrätselt. Was für Faustus auf dem Spiel gestanden, was er aufs Spiel gesetzt, zeigt der Zweite Akt. Hat Faustus aus seinem Schwur gelernt? Durchschaut er den Verblendungszusammenhang seines Lebens? Bleibt er der selbstverliebte Professor? Wird er zum Opfer der Dialektik der Aufklärung? Dr. Faustus löscht das Licht, könnte man Stein umdrehend sagen, das er entzünden wollte. Denn wie sagt der Magus so schön über ihn: "Gesäubert vom Dreck des Lebens, besteht er fort als reine Vernunft, die schnell, wenn's an anständiger Beschäftigung gebricht, zum Irrsinn wird." Hybris – der subjektive Faktor?

Das Wort hat am Ende der Magus:
   Seht, er dreht sich, wie ein irrsinniger Kreisel
   Bin ich der Eine, bin ich der Andere.
   In ewiger Selbstgeißelung.
   So kämpft auch Ihr, gleichermaßen, in Eurer engen warmen
   Dunkelheit
   Kopuliert, sündigt, betet und philosophiert.
   Alles zu dem einen Ende.

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