Nicht für die Ewigkeit gebaut
Tennessee WilliamsNicht für die Ewigkeit gebaut
(A House Not Meant to Stand)
Eine Horrorkomödie
5 (7) H, (3 K)
Deutsch von Inge und Gottfried Greiffenhagen
3 D, 1 Dek
Das letzte Stück, das Tennessee Williams geschrieben hat, hat er selber "eine Horrorkomödie" genannt. Und vielleicht empfindet der Zuschauer von heute diesen Horror sogar noch direkter und intensiver als zur Zeit der Entstehung des Stücks, vor mehr als zwanzig Jahren. Denn das verfallene Haus - "eine Metapher für den Zustand unserer Gesellschaft" - steht am Golf von Mexiko. Draußen ist Sturm. Der Tornado legt immer wieder die Elektrizität im Haus lahm. Zu Beginn des Stücks kommen Cornelius McCorkle und seine Frau Bella, die Besitzer des Hauses, von einer Beerdigung zurück: ihr ältester Sohn Chips ist mit seiner homosexuellen Veranlagung nicht fertig geworden und ist an seiner Trunksucht gestorben. Die Tochter des Paares, Joanie, sitzt im Irrenhaus. Und Charlie, der arbeitslose jüngste Sohn der McCorkles, liegt bei der Heimkehr seiner Eltern mit seiner hochschwangeren Braut, die eine ekstatische, neu erweckte Christin ist, im oberen Stockwerk im Bett. Bella McCorkle selbst ist halbirre, hört die Stimmen ihrer Kinder - aber aus der Zeit, als sie noch ganz klein waren - und hat vergessen, wo sie vor Jahren das Geld ihrer Eltern versteckt hat. "Man sagt, es handelt sich um ein dickes Bündel Tausenddollarnoten."
Doch alle verrückten Personen in dieser Horrorwelt haben heimliche Träume, Sehnsüchte, Hoffnungen. Cornelius McCorkle träumt von einer politischen Karriere (natürlich mit dem versteckten Geld seiner Frau), sein Freund, der selber auch kein Geld hat, von einem beruflichen Neuanfang (mit der Motelkette "Nacht der Nächte"), dessen Frau von einer Verjüngungskur und einem jungen Geliebten. Charlie träumt von Heirat, Kind und Familienglück, und seine Mutter Bella selbst träumt davon, endlich wieder mit allen drei Kindern zusammen zu sein, nachdem sie endlich das Geld gefunden hat. Vielleicht liegt es an diesen Träumen und Hoffnungen, die sich im 21. Jahrhundert niemand mehr eingestehen mag, daß Tennessee Williams' Horrorkomödie auch nach zwanzig Jahren ihren Reiz nicht verloren hat.
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