Vieux Carré

Tennessee Williams
Vieux Carré
(Vieux Carré)
Stück in 12 Szenen
Deutsch von Inge und Gottfried Greiffenhagen
5 D, 5 H, St, 1 Dek
Toulouse Street 722 im Vieux Carré, New Orleans. Ein junger Autor, mittellos und idealistisch, bezieht ein Zimmer in der Pension von Mrs. Hortense Wire, einer kontrollwütigen Vermieterin, die energisch versucht, ihr Haus abzuschotten vom lodernden Betrieb der Straße, von den Drogen, der Gewalt und der Prostitution. Das Leben jedoch lässt sich nicht aussperren – im Gegenteil: hinter den Türen der Pensionszimmer, in den kleinen wie großen Dramen ihrer Bewohner, stößt der Autor auf ein Leben in doppelter Dosis – laut, schnell, unbarmherzig, aber auch mit stillen Momenten voller Poesie und Hoffnung.

Unbarmherzig ist das Leben für Nightingale, einen TB-kranken Maler, der sich nachts die Stricherjungen ins Zimmer holt und auch ein Auge auf den Autor geworfen hat. Die Einsamkeit jedoch, die er verzweifelt bekämpft, wird immer unentrinnbarer. Ähnlich geht es Mrs. Wire, die lieber die Mieter allesamt vor die Tür setzt, als zuzugeben, dass ihr menschliche Nähe fehlt – nur der Autor wird ihr zum Ersatz des verlorenen Sohnes. Ein wenig Hoffnung sucht auch Modezeichnerin Jane, die nach New Orleans gekommen ist, um sich davon abzulenken, dass eine mysteriöse Krankheit ihren Körper auszehrt. Dass jedoch Tye, ihr viriler Freund, der in einer Striptease-Bar arbeitet und sich sonst mit Rauschgift betäubt, die dringend benötigte starke Schulter sein könnte, wird ihr erst klar, als alles fast zu spät ist…

Das Vieux Carré als Schule des Lebens und des Schreibens: Tennessee Williams war selbst noch ein junger mittelloser Autor, als er sich 1938 in der Toulouse Street 722 einquartierte. „Vieux Carré“, an dem er dort zu arbeiten begann, die Arbeit jedoch erst wenige Jahre vor seinem Tod vollendete, ist wie eine Zusammenfassung seines Werkes – es versammelt all seine großen Themen und Motive. Und es führt vor, was Schreiben bei Williams bedeutet: teilnehmender Beobachter zu sein, ein „Voyeur“, der seine Figuren mit einer Sympathie und Genauigkeit zeigt, dass sie in ihrer ganzen inneren Ambivalenz erscheinen. Zugleich ist „Vieux Carré“ ein autobiographisches memory play: eine eindringliche Rückkehr zu den eigenen Anfängen, im Lichte der Erfahrung und des Alters.


Zurück zur Übersicht