Kur in Marienbad

Rolf Schneider
Kur in Marienbad
Ein Briefwechsel zwischen Maria Szymanowska
und Friedrich von Gentz über Goethe
1 D, 1 H, 1 Dek
>Kur in Marienbad< entstand im Goethejahr 1982. Allenthalben beging man die 150. Wiederkehr von des Dichters Tod. Ein bekannter Kollege, Martin Walser, verfasste zum Anlaß ein Theaterstück, >In Goethes Hand<, mit dem bekanntesten Sekretär der Weltliteratur, Eckermann, als eher unglücklichem Helden. Verglichen mit ihm besitzen die polnische Pianistin Maria Szymanowska und der deutschösterreichische Zensor im Regierungsdienst, Friedrich von Gentz, heute eine eher bescheidene Prominenz, wiewohl sie, jeder für sich, sehr viel origineller waren als die graue Maus in Goethes Vorzimmer. Frau Szymanowska wirkte als erste free-lance-Pianistin des europäischen Musikbetriebs. Sowohl die Historie der weiblichen Emanzipation als auch die allgemeine Kulturgeschichte müssten ihr dies honorieren. Das tun sie indessen nicht, vielmehr erinnert sich letztere heute lieber der Clara Schumann, geborene Wieck, deren Abbild sogar eine deutsche Banknote zieren durfte.

Insofern bedeutet >Kur in Marienbad< eine Art von historischer Rehabilitation, und zwar gleich für beide Personen, da selbst Friedrich von Gentz heute gern übersehen wird, zum Vorteil seines Vorgesetzten, des Fürsten Metternich. Gentz war ein Mann von Geist und Bildung, ein begnadeter Opportunist und Zyniker (Held, übrigens, eines Buches aus der Feder von Golo Mann, des großen Thomas bedeutendem Sohn).

Da ich mein Werklein 1982 verfaßte, zu Zeiten der existierenden DDR, hatte ich mit Zensur und Zensoren meine eigenen bitteren Erfahrungen. (Auch die im Text wiederholt vernehmlichen Anspielungen auf Polen besaßen seinerzeit, auf dem Höhepunkt von Solidarnocs, ihren aktuellen Bezug). Den Zensoren in der DDR teilte sich dies aber nicht mit. Im Gegensatz zu ihrem Ahnherrn Gentz waren sie entweder zu stumpfsinnig oder zu ungebildet oder beides. >Kur in Marienbad< wurde in Druckfassung für die DDR um die zwanzigtausendmal aufgelegt, und ich, der ich darüber ratlos den Kopf schütteln musste, hatte als Trost bloß jenen unsterblichen Ausspruch des bedeutenden Karl Kraus: Eine Satire, die der Zensor versteht, wird zu Recht verboten.
"Rolf Schneider"


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