Time Present
John OsborneTime Present
Stück in 2 Akten
5 D, 3 H, 1 Dek
Eine Wohnung in London, minimalistisch eingerichtet, kühl und modern. Hier leben Constanze und Pamela, beide um die Dreißig, beide von ihren Männern verlassen. Sie unterscheiden sich wie Tag und Nacht: Constanze, eine Karrierefrau, Abgeordnete im Parlament mit Aussicht auf einen Ministerposten, glaubt an den Wandel, die Segnungen des neuen, liberalen Zeitgeistes und den Lohn harter Arbeit. Constanze hat ihr Leben im Griff – bis auf eine Kleinigkeit: für ihre unnahbare Mitbewohnerin Pamela empfindet sie mehr, als sie sich eingestehen will.
Pamela hingegen, eine arbeitslose Schauspielerin, verbringt ihre Tage meist im Bett oder mit dem Leeren der gemeinsamen Alkoholbestände. Die Gegenwart ist ihr zutiefst verhasst: die Hippie-Bewegung, die Happenings, die Schauspieler, die sich als „Performer“ verstehen, die Ununterscheidbarkeit von Politik und Show-Business. Ihre Zeit ist die Vergangenheit, jene Zeit, in der ihr sterbenskranker Vater, der Schauspieler Sir Gideon, als Shylock oder Macbeth die Bühnen dominierte. Doch als der so idealisierte Gideon stirbt, löst sich für Pamela auch der letzte Anker in der Gegenwart: ohne Rücksicht auf Verluste rechnet sie mit ihrer Umwelt ab...
„Time Present“ von John Osborne, 1968 am Royal Court Theatre in London uraufgeführt, ist ein Stück über den rasenden Fortgang der Zeit und die Not des Einzelnen, der nur zwei Möglichkeiten hat: mitschwimmen oder untergehen. Hatte Jimmy Porter zwölf Jahre zuvor in „Blick zurück im Zorn“ der Vätergeneration seinen Protest entgegengeschmettert – und damit eine neue Ära des Britischen Theaters begründet –, so tritt Pamela als Angry Young Woman in dessen Fußstapfen. Doch gilt der Zorn jetzt der bedingungslosen Fortschrittsgläubigkeit der eigenen Generation.
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