Lifeboat Drill

Tennessee Williams
Lifeboat Drill
Stück in einem Akt
2 D, 2 H, 1 Dek
Eine Luxuskabine auf der Queen Elizabeth II. zur Frühstückszeit. Mr. und Mrs. Taske, beide von biblischem Alter und bettlägerig, haben ihre künstlichen Gebisse kaum eingesetzt, da fliegen wieder die Fetzen. Mrs. Taske besteht darauf, von einer Stewardess versorgt zu werden – der Steward habe sie unsittlich berührt. Mr. Taske jedoch zeigt – wie üblich – überhaupt kein Interesse daran, die Würde seiner Frau zu verteidigen. Indigniert kündigt Mrs. Taske die Scheidung an.

Allerdings bleibt ihr kaum Zeit, die herrschaftlichen Besitztümer ihres Mannes im Geiste schon mal aufzuteilen. Denn just an diesem Morgen findet eine Übung an den Rettungsbooten statt. Und die Aussicht, im Falle einer Eisberg-kollision hilflos zurückgelassen zu werden, versetzt die beiden Greise in fiebrige Panik. Auf der Suche nach den Rettungswesten kämpft man sich aus dem Bett, gerät aber schnell in Handgemenge und Ratlosigkeit angesichts der unverständ-lichen Gebrauchsanweisung. Schnell wird klar: für das Paar hat der Ernstfall begonnen, und nur einer kann im schnappatmigen Überlebenskampf der Sieger sein…

S.O.S. auf dem Luxusdampfer unserer Moderne: „Lifeboat Drill“ von Tennessee Williams ist nicht nur eine sprachgewaltige Satire über den Sprachverlust am Ende einer langen Ehe, es ist zugleich eine Abrechnung mit der allgegen-wärtigen Katastrophenverliebtheit. Denn der einzige Untergang, der am Ende wirklich droht, ist der Untergang in einer Flut von Warnsignalen, Sicherheitsbestimmungen und Notfallplänen, die auf nichts verweisen als auf unsere neurotische Lust am Ausnahmezustand.


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