Rock 'n' Roll
Tom StoppardRock 'n' Roll
(Rock 'n' Roll)
Stück in 2 Akten
Doppelbesetzungen vorgesehen
Spielbar mit 12 Schauspielern
Deutsch von Helmar Harald Fischer und Bernd Samland
9 D, 11 H, Verw - Dek
Als die Prager Underground-Rockband "The Plastic People of the Universe" (der Name stammt aus einem Song des amerikanischen Rock-Sängers Frank Zappa) im Jahre 1976 verhaftet wurde, war das für Václav Havel "ein Angriff des totalitären Systems auf das Leben selbst, auf den Kern menschlicher Freiheit und Unantastbarkeit".
Den Rockmusikern ging es nicht um politische Ziele, sie waren nicht an der Abschaffung des Kommunismus interessiert, sie wollten nur kompromisslos ihre Musik machen können. Dennoch wurden sie zum Symbol für den Widerstand gegen das kommunistische System. "Plötzlich wurde mir klar", schilderte Havel seine Begegnung mit ihrer Musik, "egal, wie vulgär ihre Sprache war oder wie lang ihr Haar, dass auf ihrer Seite Wahrheit war. In ihrer Musik lag die Erfahrung metaphysischen Leids und eine Sehnsucht nach Erlösung."
Der Justizprozess gegen die "Plastic People" führte schließlich auch zur Charta 77, der von 240 Personen unterzeichneten Anklage gegen die tschechische Regierung wegen Verletzung der Menschenrechte, die sie mit der Unterzeichnung der Akte von Helsinki zu garantieren sich verpflichtet hatte. Diese Charta unterschreibt in "Rock 'n' Roll" Tom Stoppards Protagonist Jan, ein promovierter Philosophiestudent, obwohl er seinem aktivistischen Freund Ferdinand früher erklärt hatte, es sei moralischer Exhibitionismus, Petitionen zu unterschreiben: "Heldentum ist eine Beleidigung für normale Menschen. Heldenhafte Taten entspringen nicht der Überzeugung. Ich bin derselben Überzeugung wie du. Sie entspringen dem Charakter. Es ist keine Freundestat zu betonen, dass dein Charakter heroischer ist als meiner."
In Tom Stoppards "Rock 'n' Roll" geht es um den untrennbaren Zusammenhang von Kultur und Politik, um Zivilcourage und Anpassung. Aus einem zweiten Blickwinkel noch werden in diesem Stück die Jahre zwischen dem Prager Frühling 1968 und der Samtenen Revolution 1990 betrachtet - von Cambridge aus, Jans zweiter Universität, die er nach dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in Prag wieder verlässt. In Cambridge gehört Jan zum Familienkreis seines englischen Professors Max, der die Idee des Kommunismus - "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen" - für immer noch gültig hält und selbst eingefleischte tschechische Apparatschiks fasziniert, die, wie er selbst spottet "noch nie zuvor einen Kommunisten gesehen" haben.
Im Haus von Max wird Jan in das Leben dreier Generationen einbezogen. Ihre Kämpfe um Liebe und Sterben, um das Ergründen von Theorie und Praxis ihrer Überzeugungen spiegeln die Erkenntnis, dass Sozialismus und Kapitalismus in ihren selbstsüchtigen Ausformungen nur verschiedene Wege zu globalem Totalitarismus sind. "Wie konnte es dazu kommen, dass das Propagandablatt und die kapitalistische Presse dasselbe Verhältnis zur Wahrheit haben?" fragt Jan. Nur, weil alles, was geschrieben wird, den Gesetzen des Marktes unterliegt? Weil die Profite steigen, wenn Lügen erzählt werden? "Zeitungen sind die Natur des Menschen in gedruckter Form", sagt Max zur neuen Ehefrau seines ehemaligen Schwiegersohns, der Klatschkolumnistin Candida: "Und da die Natur des Menschen nun mal ist, wie sie ist, sind die Zeitungen voll von Grausamkeit und Aberglaube".
Stoppard wäre nicht Stoppard, wenn er die Frage nach der Autonomie des Geistes nicht am lebensnahen Beispiel persönlicher Liebesverhältnisse darstellte.
Eleanor, Max' krebskranke Frau, Griechisch-Dozentin und Expertin für die sinnliche Poesie Sapphos, fühlt sich durch die materialistischen Theorien ihres Mannes persönlich angegriffen. Ihr wacher Geist und ihr verfallender Körper können für sie nicht eins sein. Ihre Tochter Esme dagegen hilft sich mit Drogen und erlebt eine rätselhafte Geschichte mit dem "Pink-Floyd"-Mitbegründer Syd Barrett. "Der große Gott Pan ist tot" zitiert eine Griechisch-Studentin von Max' neuer Lebensgefährtin am Schluss des Stückes Plutarch, während Esme, die Pan zu Beginn des Stücks in Syd Barrett gesehen hatte, sich mit Jan und Ferdinand dem Konzert der "Rolling Stones" im befreiten Prag hingibt.
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