The Pronoun 'I'

Tennessee Williams
The Pronoun 'I'
Kurzstück
1 D, 4 H, 1 Dek
Königin May, „die Verrückte“ – vormals Königin May, „die Gute und Gerechte“ – hat für sich und ihr englisches Königreich eine weit reichende Entscheidung getroffen: Sie will keine politische Vernunftheirat mit verbündeten Prinzen, sie will nur Männer, an denen sie ein erotisches Interesse hat. Und so verbarrikadiert sich Königin May, während draußen ein vom Starrsinn seiner Regentin aufgewiegelter Mob an die Palastmauern brandet, in ihren Gemächern und tauscht Zärtlichkeiten mit dem krankhaft narzisstischen Schönling Dominique aus.

Allerdings ist auch diese Liaison für die einsame Herrscherin wenig befriedigend. Die Selbstverliebtheit von Dominique, einem feingeistigen Poeten, reicht so weit, dass er jedes seiner Gedichte nur mit dem Pronomen „Ich“ beginnen lassen kann. Die unendliche Spiegelung eines an sich selbst berauschten Ichs ist aber ebenso wenig beziehungstauglich wie das königliche „Wir“, der Pluralis Majestatis der höchsten monarchischen Würdenträgerin. Daher ist Dominiques Schicksal bald besiegelt: Kaum hat sich die Königin von ihm abgewendet, frisst ihn draußen vor den Toren die revolutionäre Masse.

Eine Frau in der Zwickmühle zwischen äußeren Zwängen und dem Feuer ihres Herzens – aus diesem für das Werk von Tennessee Williams so zentralen Motiv entsteht in „The Pronoun I“ ein märchenhaftes und lyrisch verdichtetes Kammerspiel, das für seine Heldin ein unerwartet glückliches Ende bereit hält. Denn als die Königin, um sich vor dem Mob zu retten, ihr eigenes Ich absetzt und durch ein „Du“ ersetzt, scheint an der Seite eines jungen Revolutionärs plötzlich alles möglich…


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