Wir, Nibelungen
Pavel KohoutWir, Nibelungen
Ein ewiges Trauerspiel in zwei Abteilungen
Nach Friedrich Hebbel
3 D, 5 H, 1 Dek
Vier Bemerkungen zu meiner „Nibelungen“-Fassung:
1. Nach der Lektüre der bisherigen Bearbeitungen und nach der Information über verschiedene Aufführungen entschied ich mich für den Hebbelschen Text, der mir am dichtesten erschien und versprach, diesen aufwändigen Stoff auch dem breiten Publikum verständlich und spannend zu übermitteln. Einfügungen anderer Vorlagen hielt ich nicht für stilgerecht und sinnvoll.
2. Ich verzichte auf jegliche Aktualisierung, da es sich um eine elementare Geschichte handelt, von zeitloser und grenzenloser Gültigkeit. Ich habe sie nur sorgfältig „durchkämmt“, nicht nur, um sie für eine kleine Truppe und an einem Abend spielbar zu machen, sondern auch – in der Tradition meiner Macbeth- und meiner Cyrano-Fassung –, um an ihre goldene Ader heranzukommen. Obwohl von den ursprünglich 5456 Versen ganze 2564 herausoperiert wurden, stellen die jetzt 2892 Verse, durch behutsame Überbrückungen zusammengefügt, keinen verunstalteten Rumpf dar, sondern – so will es mein Theatergefühl glauben – einen originalgetreuen und wirksamen Bühnentext.
3. Diese Fassung braucht natürlich eine adäquate Regie: Ich stelle mir eine kluge Stilisierung vor, dem Genre des einstigen Jahrmarkttheaters nachgeahmt, das bekanntlich auch Tragödien ernsthaft und gleichzeitig volksnah aufzuführen wusste. Als Regisseur ließe ich die acht Männer und zwei Frauen am Anfang der Vorstellung in fast gleichen Grundkostümen auftreten und während des Prologs dem Publikum die „Spielregeln“ deutlich machen. Es sind ja außerdem die Ansagerin und der Ansager da, die den Zuschauer direkt aus dem Spiel über die Handlungsorte und gerade auftretenden Personen aufklären. Natürlich müsste man dem Genre treu bleiben, auch was die Sprache und das Agieren betrifft, ohne ins Komische zu rutschen.
Eine entscheidende Rolle würde – wie in vielen meinen Stücken – die Tonkulisse spielen: Musik und Geräusche von Band, versteht sich.
Pavel Kohout, Wien 1991
Zurück zur Übersicht