Geisterschlacht
Pavel KohoutGeisterschlacht
(Bitva duchů)
Minidrama für eine Schauspielerin, einen Körper und ein Telefon
Deutsch von Karl-Heinz Jähn
1 D, 1 Dek
Im Krankenhauszimmer einer Intensivstation liegt ein Patient, der nicht spricht, sich nicht bewegt. Seit er sich am Morgen die Sauerstoffzufuhr aus dem Arm gerissen hat, ist sein Zustand kritisch. Seine Frau ist zu Besuch. Sie könne ihn vielleicht zurückholen aus seinem „seelischen Koma“, so der Chefarzt, seine „dreizehnte Kammer“ öffnen. So erzählt es die Frau ihrem Mann, der reglos und stumm vor ihr liegt. Ihr Besuch an seinem Krankenbett ist eine lange Ansprache. Eine Anklage. Und schließlich ein Abschied.
In ihrem Monolog quillt all das in der Frau empor, was sie 33 Jahre lang runtergeschluckt hatte, ein Schwall aus Gefühlen, Vorwürfen und Bildern ihrer Liebe, die er damals mit den Worten einläutete: „Du bist für mich geboren“. Für ihn geboren, ordnete sie ihr Leben dem seinen unter, lebte für ihn, den deutlich älteren Professor, den Schriftsteller, wurde seine „dritte Hand“, seine gute Seele, blieb kinderlos.
Aber während er hier im Krankenhaus lag, fand sie zuhause seine „dreizehnte Kammer“ und den Grund seiner Krankheit, denn „was tut selbst die dümmste und vertrauensseligste Frau, wenn unverhofft der Tod die Hand nach ihrem Mann ausstreckt? Sie schaut in sein Leben, um sich rechtzeitig in ihrem eigenen zurecht zu finden.“ Sie findet eine Schublade, in der er sorgfältig sein Doppelleben aufbewahrte: Hundert Liebesbriefe an eine junge Cellistin, Zeugnisse einer jahrelangen, leidenschaftlichen Affäre. Die Frau versteht: Der Schlaganfall, die Depression war keine Schaffenskrise, sondern Liebeskummer.
Jetzt am Krankenbett liest sie ihm die Briefe der Konkurrentin vor, schwankend zwischen Groll und Bitterkeit, Wehmut und Bedauern, Wut und Trauer … Aber plötzlich entdeckt sie zwischen den Zeilen nicht nur Grund zur Eifersucht, sondern auch eine ihr unbekannte Vitalität. Sie fasst einen folgenschweren Entschluss: Am Telefon bittet sie die Andere, zu kommen, um an ihre Stelle zu treten und den Mann aus seinem Schweigen zu erlösen.
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