Der vergessene Zauberspruch

Tankred Dorst
Der vergessene Zauberspruch
Ein Stück für Kinder
Mitarbeit: Ursula Ehler
3 D, 6 H, (Spielbar mit 7 Schauspielern), 1 Dek
Willy ruft nach seiner Freundin Hanna, die im Nachbarhaus wohnt, um ihr seine neueste Zauberei vorzuführen: Wie einen Ballon hat er Onkel Conz über dem Haus hochschweben lassen. Hanna ist weniger phantasievoll als Willy, sie glaubt ihm nicht, sieht nichts schweben. Und als gleich darauf Onkel Conz mit der verbeulten Campingliege kommt und sagt, daß er im Schlaf runtergefallen ist, wird der Zauber vollends fragwürdig. Willy aber erzählt Hanna, er habe den Blauen Zauberer getroffen und von ihm die Zauberei gelernt. Wenn der Blaue Zauberer wiederkomme, werde er von ihm noch mehr lernen und es viel besser können als diesmal. Ob Hanna ihm glaubt?

Hanna lebt allein mit ihrem Vater, der viel auf Reisen ist, Vorträge auf Kongressen hält, er ist Psychologie-Professor. Schön wär's, wenn er morgen zum Geburtstag aus London zurückkäme.

Noch etwas Seltsames geschieht: Tante Mia hat einen Abenteuerfilm gesehen, und plötzlich ist der große Fluß, auf dem ein Amazonasindianer mit dem Einbaum schwamm, aus dem Apparat herausgeflossen, der Teppich ist klitschnaß davon, der Fernseher kaputt. Kurz darauf entdecken Willy und Hanna im Garten bei den Büschen den frierenden Amazonasindianer. Wohin mit ihm? Sie verstecken ihn einstweilen im Geräteschuppen. Hanna läuft nach Hause, um für den nackten Mann einen Pullover zu holen.

Und während Willy nun allein ist, erscheint der Blaue Zauberer. Er kann durch die Wand gehen, aber neuerdings macht ihm das große Mühe. Die Zeit der alten Zauberer ist wohl vorüber. Was Willy von ihm lernen möchte? Ob der Zauberer, fragt Willy, ihn für ein paar Augenblicke in ein Tier verwandeln könnte? Ja, das kann er, wichtig ist aber der Zauberspruch, der Willy wieder zurückverwandelt. Weil der alte Blaue Zauberer sehr vergeßlich ist, schreibt er den Spruch vorsichtshalber auf einen Zettel und legt ihn in sein Brillenetui. Tatsächlich verwandelt sich Willy in einen Tapir. Plötzlich taucht der alte Todfeind des Blauen Zauberers auf, der Gelbe Zauberer. Es kommt zu einem großen Kampf der beiden, jeder verwandelt sich, um den anderen zu überwinden, in immer neue Gestalten, schließlich haben sie sich weggezaubert.

Was geschieht nun mit dem verzauberten Willy?

Hanna kommt zurück, dann Tante Mia, dann Onkel Conz. Wo ist Willy? Was steht da für ein seltsames Tier im Wohnzimmer? Soll man es in den Zoo bringen? Soll man es töten und das schöne Fell verkaufen? Soll man die Feuerwehr verständigen? Ein Tapir in der Wohnung, wie peinlich! Hanna findet das Brillenetui des Blauen Zauberers, entdeckt auch den Zettel darin, kann aber den Zauberspruch nicht lesen, er ist mit Schneckenschleim geschrieben. Sie wirft ihn weg. Wo ist nur Willy geblieben? Onkel Conz geht in den Garten, auf die Straße, um ihn zu suchen. Tante Mia ruft den Notdienst an. Hanna bleibt mit dem Tapir allein.

Die neugierige Krähe Kortokrax, die von Anfang an alles beobachtet hat, bringt Hanna dazu, den Zettel wieder aus dem Papierkorb zu holen und spricht mit ihr zusammen den Zauberspruch: So wird, Gott sei Dank, der Tapir wieder zu Willy. Und auch Tante Mias Fernseher funktioniert wieder, der Abenteuerfilm geht genau an der Stelle weiter, wo er vorher abgebrochen war: da taucht auch der Einbaum wieder auf, nur – Wie sonderbar! ruft Tante Mia – der Indianer trägt jetzt einen Pullover! Einen Pullover in der tropischen Hitze! Und zum Schluß erscheint plötzlich Hannas Vater, das Programm seines Kongresses wurde überraschend geändert. Zauberei? Pünktlich zum Geburtstag ist der Professor da und lädt alle ein zu einem Ausflug in den Zoo: Dort, sagt er, gibt es Tapire.


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