Tilly - Ewig die Lulu
Sabine WagnerTilly - Ewig die Lulu
Tilly Wedekind und E. Andreas Rauch
Stück in einem Akt
1 D, 1 H, 1 Dek
Es gab Tage und Wochen, da war diese Ehe die Hölle. Eifersucht bis zur Krankhaftigkeit, Misstrauen bis zur Paranoia, ein Leben zwischen Kunst und Wahn, Bürgerlichkeit und Selbstzerfleischung: die Ehe zwischen Frank und Tilly Wedekind, geborene Newes. Dabei war Tilly eine selbstbewusste, schöne und bis zu ihrem Lebensende sinnliche und wilde Frau, vor der bis zu ihrer Begegnung mit Wedekind eine vielversprechende Karriere als Schauspielerin lag. Nach Wedekinds Tod stürzte sie sich in ihr neues Leben und hatte zahlreiche Affären, unter anderem mit Gottfried Benn.
Das Stück "Tilly – Ewig die Lulu" spielt an Tilly Wedekinds 80. Geburtstag. Tilly ist noch immer eine agile, attraktive Frau, der man ihr wahres Alter nicht ansieht. Sie bereitet sich auf die Feier in einem Restaurant vor, ihre Münchner Wohnung ist bereits ein Blumenmeer. Da erhält sie überraschenden Besuch. Unangemeldet steht vor ihr der Mann, mit dem sie seit einigen Monaten eine leidenschaftliche und stürmische Beziehung verbindet: der Maler und Bildhauer E. Andreas Rauch, der ihre Büste anfertigen soll und dem sie beim Modellstehen näher gekommen ist. Die beiden verbringen eineinhalb Stunden miteinander, lachen, streiten, tanzen miteinander, diskutieren, offenbaren sich ihre Gefühle, albern herum, graben in Tillys Vergangenheit und spielen – als Höhepunkt – eine Szene aus Wedekinds "Lulu", Tillys jahrelanger Paraderolle. Rauch ist verliebt in Tilly, und Tilly ist verliebt in Rauch. Tilly bleibt aber skeptisch: zu oft wurde sie von den Männern, die sie liebte benutzt, unterdrückt, mißverstanden und betrogen. Doch Rauch schwört ihr, bei ihm sei alles anders... (Sabine Wagner)
"Sabine Wagner studierte Publizistik und Germanistik in Berlin und lebt als freie Journalistin und Autorin in Berlin und Österreich. Sie arbeitete u.a. für" SFB, Tagesspiegel, Süddeutsche Zeitung, Magazin Süddeutsche, Die Woche "und "Stern".
"Tilly – Ewig die Lulu" ist ihr erstes Theaterstück."
RAUCH Nein, nein, nein, Frau Wedekind, so nicht!
TILLY Ich habe dich nicht herein gebeten!
RAUCH Das ist mir egal! Ich lass mich doch nicht einfach so von dir abservieren!
TILLY Und ich lass mich nicht von dir malträtieren! Das habe ich mir lange genug gefallen lassen!
RAUCH Da kann ich doch nichts für! Ich habe jedenfalls langsam die Nase voll, mich immer mit deinen Exmännern und Exliebhabern vergleichen zu lassen! Ist doch nicht meine Schuld, dass du nur mit Arschlöchern zusammen warst!
TILLY Sie waren keine Arschlöcher, sie waren Männer! Kommt vielleicht nur manchmal aufs gleiche raus.
RAUCH Ach, hör doch auf mit deinen Spitzfindigkeiten, mit deinen beleidigenden!
TILLY Mein ganzes Leben lang habe ich zugelassen, dass die Männer Macht über mich haben. Über mich, mein Leben, meinen Beruf, meine Gefühle, meine Gedanken. Ich will das nicht mehr. Bevor ich Wedekind kennenlernte, war ich ein selbständiger Mensch, der sich selbst erhalten konnte und es aus eigener Kraft zu etwas gebracht hatte. Später aber war und wurde ich nur noch durch ihn. Selbst war ich nichts mehr! Diese Abhängigkeit. Dieses Kleinmachen vor dem Mann. Jahre habe ich gebraucht, um das wieder loszuwerden, Jahrzehnte! Ich will das jetzt nicht mehr. Ich bin zu alt.
RAUCH Tilly, Liebste.
TILLY Schon gut.
RAUCH Ich wollte dir nur zeigen, dass du mir nicht gleichgültig bist. Es gibt Frauen, die mögen das.
TILLY Die waren auch nicht mit Frank Wedekind verheiratet.
RAUCH Das ist doch jetzt schon so lange her.
TILLY Das vergisst man nicht. Es hat sich eingebrannt. Ganz tief. Es war ein Alptraum, manchmal. (Imitiert mit lauter Stimme Wedekind) "Mich auf Reisen ohne Nachricht zu lassen, ist ebenso unanständig, als wenn ich Dich ohne Geld ließe, oder Dir die Tür vor der Nase zuschlüge. Ich habe Deine Unanständigkeiten gründlich satt. Mit welchem Recht gehst Du in meinem Hause aus und ein? Frank Wedekind!"
RAUCH Idiot.
TILLY Und nur, weil er zu blöd war, das Paket aufzumachen, in dem sich sein Mantel und meine Briefe befanden.
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