Janowitz

Rolf Schneider
Janowitz
Hörspiel

Schloss Janowitz in Böhmen, Sommer 1914. Baronin Sidonie von Borutin ist im Begriff, auch den vierten Heiratsantrag ihres ewigen Verehrers, des italienischen Grafen Carlo Guicciardini, abzulehnen. Die Ehe stünde der jungen Adelsfamilie zwar gut zu Gesicht, doch Sidonie ist eine moderne Frau, die sich weniger für Titel interessiert als für Gefühl und Poesie. Ihr Herz gehört den Dichtern und Denkern, insbesondere Rainer Maria Rilke, Stammgast auf Schloss Janowitz, und dem Kritiker Karl Kraus, der eigens mit dem Automobil angereist ist, um ebenfalls um Sidonies Hand anzuhalten – und sich mit ihr in die Dolomiten abzusetzen.

Bei Rilke jedoch stoßen die Heiratspläne seines Kollegen Kraus auf gehörigen Widerstand – schließlich widmet Rilke seiner Gastgeberin Vers um Vers und scheint dabei auf mehr zu hoffen als auf rein geistigen Austausch. Und so kommt es zur Konfrontation zweier Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Rilke, Mystiker mit Faible für Aristokratie und Krieg, politisch aber eher unbedarft, will den scharfzüngigen Pazifisten Kraus desavouieren, indem er dessen jüdische Wurzeln ins Spiel bringt. Als dann die Nachricht eintrifft, dass der österreichische Thronfolger in Sarajevo einem Attentat zum Opfer gefallen ist, kommt es zur Eskalation…

Am Vorabend des Ersten Weltkriegs: Virtuos lässt Rolf Schneider in „Janowitz“ einen historischen Augenblick aufleben, in dem sich die Katastrophe über Europa zusammenbraut wie ein endzeitliches Gewitter. Die Kollision der beiden Dichter-köpfe Kraus und Rilke, ihrer Weltanschauungen und Ästhetiken, haben hier bereits all ihre Unschuld verloren, sie tragen die Ahnung des kommenden Schreckens in sich. Im Mittelpunkt steht allerdings Baronin Sidonie von Borutin: Eine Frau, die aus den Geschlechterrollen ihrer Zeit auszubrechen versucht – und doch ahnt, dass die Zeit stärker sein wird als sie und sich deshalb für Sicherheit als Basis möglicher Freiheit entscheidet.


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