Bitterer Weizen

David Mamet
Bitterer Weizen
(Bitter Wheat)
Stück in zwei Akten
Deutsch von Michael Eberth
2 D, 5 H, Verw- Dek
Die Erfahrungen, die Mamet als Autor und Regisseur in der Kulturindustrie von Hollywood machen konnte, haben ihn nicht nur bis ins Intimste mit deren Mechanik vertraut gemacht. Sie haben in ihm auch eine tiefe Verachtung für deren Personal hinterlassen. Trotzdem prangert er den „fetten Filmmogul Barney Fein“ in Bitter Wheat nicht als Triebtäter an, sondern präsentiert ihn als tragischen Clown: als den letzten Repräsentanten der Spezies des einst allmächtigen Weißen Mannes, der alle menschlichen Beziehungen seiner Gier unterworfen, alle Werte verraten, sein Selbst ins wahnhaft Genialische überdreht und seine Seele dem Teufel verschrieben hat, der ihm einen steten Zufluss von Erfolg und Bewunderung garantiert. Mamet zeigt den Zynismus, mit dem Barney Fein das „System“, aber auch die ihm Nächsten und zuletzt eine junge asiatische Schauspielerin für seine Zwecke instrumentalisiert, bis eine banale Störung die Mechanik zum Stocken bringt – und das Gehäuse seines Selbst in dem Nichts versinkt, über dem es errichtet war.
„Mamet will uns erklären, wie die Welt funktioniert“ resümierte Peter Kümmel (DIE ZEIT) die Londoner Uraufführung. „Und da die Welt schlecht, dumm und grausam ist, braucht es einen schlechten, schlauen und grausamen Menschen als Hauptfigur, einen, der die Regeln erklärt – durch sein Beispiel“. Diese Regeln müssen aber auch befolgt werden, damit die Mechanik zuverlässig funktioniert. Ohne Gefolgsleute funktioniert gar nichts, erst sie beglaubigen den Zynismus als System, wie Barneys engste Vertraute Sondra. Sie verlässt ihn sofort, als er machtlos geworden ist.
Bei der Londoner Uraufführung (mit John Malkovich in der Hauptrolle) wurde Bitter Wheat wegen der Parallelen zu den real existierenden „Tätern“ der Welt von gestern als Beitrag zur #MeToo-Debatte verkannt, die auf Rache und Strafe fixiert ist. Mamet zielt aber weiter. Er führt uns den Phänotyp der Spätmoderne vor: den Hollow Man, der sich von allem verabschiedet hat, was die abendländische Kultur über Jahrtausende an Werten schuf, und sich in einem letzten Aufbäumen gegen den Untergang wehrt, dem er entgegentreibt.


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