Puppenstube

Lillian Hellman
Puppenstube
(Toys in the Attic)
Stück in 3 Akten
Deutsch von Bernd Samland
4 D, 4 H, St, 1 Dek
Geschrieben im Februar 1957 und in der Inszenierung von Arthur Penn, der wenige Jahre später mit seinem Film "Bonnie und Clyde" Weltruhm erlangen sollte, 1960 am Broadway uraufgeführt, war "Toys in the Attic" Lillian Hellmans letztes Schauspiel. Für Hellman war es zwar kein Abschied vom Theater, es folgten Übersetzungen und Bearbeitungen, doch das Stück darf wohl als Summe und Quintessenz von Hellmans Dramatik gelten.

556 Vorstellungen en suite, die zweitlängste Aufführungsserie aller Hellman-Stücke, und der "Drama Critics Circle Award" 1960 bezeugen den Erfolg.

Zwei Schwestern, sie wollen zwar nicht nach Moskau, aber sie träumen von einem fröhlicheren Leben, von der großen, weiten, schönen Welt. Carrie (38) und Anna Berniers (42) leben im trostlosen Haus ihrer verstorbenen Eltern in New Orleans. Ihr ganzes Leben haben sie für ihren jüngeren Bruder Julian gelebt und gearbeitet. Die Sorge um diesen Bruder hat ihrem Angestelltendasein Sinn gegeben.

Als Julian plötzlich mit seiner jungen Frau Lily als vermeintlich reicher Mann zurückkehrt, bricht für die Schwestern die Welt zusammen: Sie zerstören ihre selbstgeschaffene Puppenstube sogar mit Hilfe der ihnen verhaßten Lily. Weil Lily in Julians Unabhängigkeit auch eine Bedrohung ihrer Liebe sieht, durchkreuzt sie gemeinsam mit den Schwestern seine nicht ganz sauberen finanziellen Transaktionen, so daß er am Ende wieder da ist, wo die Frauen, die ihn angeblich lieben, ihn haben wollen: mittellos, hilfsbedürftig, lenkbar.

Nur Lilys Mutter, die reiche Albertine Prine, durchschaut den Mechanismus von Liebe, Kapital und Abhängigkeit; sie lebt schon lange mit ihrem schwarzen Diener, Chauffeur und Liebhaber Henry Simpson zusammen.

Die Schwestern werden New Orleans nicht verlassen; Lily hat ihren Mann wieder an sich gebunden; Julian aber wird nicht aufgeben, aus dem Puppenheim wegzuwollen.

Bestechend an Hellmans Stück ist die Entfaltung der Motive, die Verknüpfung psychischer und sozialer Vorgänge. Mit dem Scharfblick einer Frau, die weiß, daß Geld nicht nur die Welt, sondern auch die Seele und die Psyche regiert, seziert sie schonungslos, aber mitfühlend, die Motive ihrer Akteure, ohne sich, bei aller Komik, je über sie lustig zu machen.

Aus den Trümmern der alten Puppenstube wird eine neue gezimmert. Das Ende aller Illusionen ist der Anfang neuer Illusionen. Aber die können durchschaut werden. Verzweiflung und Trost liegen dicht beieinander.

Die Neuübersetzung von "Toys in the Attic" beruht auf dem Text der "Collected Plays".



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