Abriss
Gert HeidenreichAbriss
Eine Operette in Grund und Boden
Musik von Rolf P. Parchwitz
4 D, 9 H (bei Doppelbesetzung), Verw - Dek
Von Adolf Eichmann bis zum Attentäter von Oslo: Die Banalität des Bösen hat das immer gleiche, harmlose Allerweltsgesicht. Hier ist der Täter ein gescheiterter Arzt, der sich seinen Unterhalt mit Hundezucht verdient. Er spricht von Geschwüren, die entfernt werden müssen, von Schädlingen, die den Volkskörper befallen haben, vom Recht des Stärkeren und einer historischen Aufgabe, vom handlungsunfähigen Staat und vom wehrhaften Bürger, der sich das Recht nimmt, der Justiz unter die Arme zu greifen.
Das Opfer ist Hans Staller, ein junger Bauarbeiter, der den deutschen Traum von Eigenheim und Familie träumt und mit seiner Frau Marianne auf der Suche nach einer erschwinglichen Wohnung ist. Doch die Gentrifizierung ist im vollen Gange: Kostengünstige Wohnungen werden abgerissen und weichen teuren Neubausiedlungen, die am Ende leer stehen. Als die Eltern aus ihrer Wohnung vertrieben werden sollen, will Hans ein Zeichen setzen und schreitet zum Protest: Gemeinsam mit Marianne besetzt er eine Rohbauwohnung.
Der mediale Rummel ist enorm: Sympathisanten sehen in Haller einen Michael Kohlhaas, Gegner einen Anarchisten. Vor der besetzten Wohnung schlagen friedliche Demonstrationen in Krawalle mit der Polizei um. Die Politik aber ist machtlos, sie will es sich weder mit den Wählern noch mit den Immobilienhaien verscherzen. In diese unübersichtliche Gemengelage hinein hat der Täter seinen Auftritt: Haller hat gerade die Wohnung verlassen, um seine Eltern zu besuchen, da fallen zwei Schüsse und das Unheil nimmt seinen Lauf…
Gert Heidenreichs „Abriss“ berichtet vom Wanken einer Gesellschaft, deren Fundament zunehmend instabil wird, je weiter sich die Schere zwischen Arm und Reich öffnet. Und die zum Einsturz gebracht wird, sobald radikale Kräfte in das Vakuum vorstoßen.
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